Die Schweizer Ziegelbranche steht vor grossen Herausforderungen wie dem Klimawandel und steigenden Energiekosten. Benjamin Schmid, Geschäftsführer des Branchenverbandes Ziegelindustrie Schweiz, spricht über die innovativen Lösungen der Branche, die auf traditionellen Werten basieren.
Benjamin Schmid, wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für die Schweizer Ziegelindustrie angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungen?
Die aktuelle Lage ist für alle Schweizer KMU herausfordernd, besonders im industriellen Sektor. Klimawandel, steigende Energiekosten, staatliche Regulierungen, die Dekarbonisierung und das Netto-Null-Ziel 2050 stellen auch die Ziegelindustrie vor grosse Herausforderungen. Trotzdem bleibe ich optimistisch, da Ton als nachhaltiger Baustoff weiterhin gefragt bleiben wird. Zudem wissen sich die KMU und Familienunternehmen der Schweizer Ziegelbranche in diesem Umfeld zu beweisen. Statt kurzfristige Gewinne anzustreben, behalten sie den langfristigen Erfolg im Blick und investieren entsprechend nachhaltig. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen schafft – hier übernimmt der Verband eine zentrale Rolle.
Wie reagiert die Ziegelindustrie auf die steigende Nachfrage nach energieeffizienten Baumaterialien aufgrund des verstärkten Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und neuer Bauvorschriften?
Wir verfolgen drei Ansätze: Erstens optimieren wir kontinuierlich die Rezepturen zur Aufbereitung des Rohstoffs, was ebenfalls zu geringeren CO₂-Emissionen führt. Zweitens forschen wir an verbesserten Produktions- und Brennprozessen. Und drittens arbeiten wir daran, die Logistik zu dekarbonisieren, zum Beispiel durch den Einsatz von E-Lastwagen oder Wasserstoff-Trucks. Zusätzlich erstellen derzeit sämtliche Schweizer Ziegeleien Dekarbonisierungspläne, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Die Tonprodukte werden ebenfalls laufend verbessert, zum Beispiel durch die Entwicklung von Wärmedämmsteinen, die durch das Beimischen von Altpapier – oder anderer Zuschlagstoffe – optimiert werden. Dies verdeutlicht die Kreislaufwirtschaft: Durch die Nutzung eines Abfallprodukts einer anderen Branche tragen wir zur nachhaltigen Ressourcennutzung bei. Unsere Produkte leisten einen direkten Beitrag zum Umweltschutz und können auch anderen Sektoren helfen, da der Heiz- und Kühlbedarf von Gebäuden durch den Einsatz innovativer Tonbaustoffe reduziert wird.
Welche Rollen spielen innovative Photovoltaik-Produkte wie der Solarziegel PAN und das Solarmodul FIT in dieser Entwicklung?
Die Schweizer Ziegelindustrie beweist auch im Dachbereich ihre Innovationskraft. Die beiden genannten Produkte sowie weitere Produkte anderer Hersteller unterstreichen dies deutlich. Zum einen werden Indach-Module angeboten, die sich nahtlos in Steildächer integrieren lassen, womit deren bewährte Vorzüge beibehalten werden können. Zum anderen bieten die Schweizer Ziegeleien Module an, die sich unauffällig auf bestehenden Steildächern in die einzelnen Dachziegel installieren lassen, was insbesondere für historische und schützenswerte Gebäude von Bedeutung ist. So gelingt es uns, eine Brücke zwischen Tradition und moderner, nachhaltiger Energiegewinnung zu schlagen.
Wie beeinflussen digitale Technologien wie automatisierte Fertigungsprozesse die Ziegelproduktion?
Die Fertigungsprozesse sind in manchen Bereichen der Produktion bereits teilautomatisiert, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. In welche Richtung sich die Technik in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten. Allerdings bin ich überzeugt, dass der klassische Handwerksberuf in den nachgelagerten Branchen auch in Zukunft unverzichtbar bleibt. Weder Roboter noch Maschinen können aktuell die Qualität und Präzision von erfahrenen Handwerker:innen erreichen.
Wie kann die Ziegelindustrie angesichts des Fachkräftemangels sicherstellen, dass auch künftige Generationen von hochqualifizierten Handwerker:innen profitieren?
Leider haben handwerkliche Berufe heutzutage einen schweren Stand gegenüber dem Gymnasium und Studium – meiner Meinung nach zu Unrecht. Deshalb wird viel getan, um die Attraktivität dieses Berufsfeldes zu steigern. Einerseits fördern wir den Nachwuchs in unserer eigenen Branche durch die Ausbildung von Industriekeramiker/-innen EFZ. Andererseits sind wir Bildungspartner für Handwerksberufe wie Dachdecker:innen, Fassadenbauer:innen und Maurer:innen. Zudem stellen wir kostenloses Übungsmaterial wie Backsteine und Tondachziegel zur Verfügung.
Wo positioniert sich die Schweizer Ziegelindustrie im internationalen Vergleich bezüglich Innovationen und nachhaltiger Entwicklungen?
Wir sind Mitglied im europäischen Verband und nehmen im internationalen Vergleich durchaus eine führende Rolle in der Produktentwicklung ein — ganz konkret zum Beispiel im Photovoltaikbereich. Bezüglich Dekarbonisierung verfolgt die Schweiz eine andere Herangehensweise. Im Gegensatz zu globalen Grosskonzernen können sich unsere familiengeführten KMU keine teuren Experimente erlauben. Stattdessen setzen wir auf kontinuierliche Weiterentwicklung in kleinen Schritten. Wir sind zudem bereit, auf alternative Brennstoffe umzusteigen, sobald sie in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sind. Wir beschäftigen uns intensiv mit diesem Thema und den damit einhergehenden Herausforderungen.